Gibt es ein Erlebnis aus deinem Alltag als Hebamme, die dich besonders geprägt hat?
Während meiner mittlerweile über 20-jährigen Tätigkeit als Hebamme haben mich viele Erlebnisse – schöne und traurige – sehr geprägt. Zwei besonders Schöne möchte ich kurz erwähnen.
Eine Zeit lang durfte ich Hausgeburten begleiten. Nach einer recht schnellen Geburt im heimischen Wohnzimmer kamen die Geschwisterkinder dazu. Die ganze Familie lag gemeinsam im Bett, um das neue Geschwisterchen zu begrüßen und kennenzulernen. Wir Hebammen zogen uns zurück, damit die Familie diese besonderen Momente ganz für sich genießen konnte. Nach einiger Zeit kamen die beiden größeren Kinder zu uns und fragten, wann es endlich Frühstück gibt. Daraufhin bin ich Brötchen holen gefahren und wir haben alle gemeinsam den Tisch gedeckt und zusammen gefrühstückt.
Ein weiteres besonderes Erlebnis hatte ich während meiner Zeit im Kreißsaal – und zwar eine Geburt auf dem Krankenhausparkplatz. Der Vater hatte von unterwegs mehrmals versucht, das Krankenhaus zu erreichen, landete aber immer wieder in der Warteschleife. Kurz bevor das Paar ankam, klingelte das Telefon im Kreißsaal und der Papa rief ganz aufgeregt, dass das Baby jetzt käme, seine Frau und er aber noch am Auto wären. Meine Kollegin und ich rannten sofort zum Parkplatz, wo der kleine Erdenbürger schon fast geboren war. Seit diesem Erlebnis empfehle ich Schwangeren immer, nicht die Telefonnummer des Krankenhauses abzuspeichern, sondern jene vom Kreißsaal.
Was sind deine wichtigsten Botschaften, die du Schwangeren bzw. frischgebackenen Eltern mitgeben möchtest?
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, sich schon von Beginn der Schwangerschaft an bewusst zu werden, wie besonders die kommende Zeit sein wird. Heutzutage ist der Alltag unglaublich schnelllebig. Viele Schwangere arbeiten bis kurz vor der Geburt und managen daneben noch Haushalt und Familie. Wenn schon Geschwisterkinder da sind, gehen weitere Schwangerschaften oft etwas unter und laufen sozusagen nebenbei mit. Daher immer mein Tipp: Egal, ob es das erste, zweite oder dritte Kind ist – jede Schwangere sollte sich ganz bewusst Zeit nur für sich und ihr noch ungeborenes Baby nehmen.
Dasselbe gilt für die Zeit nach der Geburt. Es ist absolut nicht wichtig, dass es zuhause immer perfekt aufgeräumt oder die Mama stets top gestylt ist – dies wird vor allem auf Social Media leider oft so suggeriert. Viel wichtiger ist die bewusste Zeit mit dem Neugeborenen, denn Babys haben viel mehr von einer entspannten Mama und Familie als von einer schön aufgeräumten Wohnung. Viele Eltern müssen erst lernen, auch mal langsam zu machen und den vorher oft genaustens durchgetakteten und hektischen Alltag loszulassen.